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Schreiben und Gefühle

Autorenbild: Monika BöttrichMonika Böttrich



Was macht es eigentlich so schwer zu schreiben?


Ich bin hier in Italien, weil ich schreiben wollte. Die Vorstellung, hier im Garten zu sitzen neben den Rosmarinbüschen, ohne gestört zu werden, völlig mir selbst überlassen, war für mich verlockend. Ich dachte, da wird es ja nur so fließen.


Heute ist schon Donnerstag und ich habe noch nicht so sehr viel geschrieben. Auch hier fällt mir natürlich immer etwas anderes ein.


Wenn ich morgens mit meinem Hund spazieren gehe, egal ob hier oder auch zuhause, dann ist mein Kopf voll mit Gedanken, Überlegungen, endlosen Geschichten, Ideen. Zurück vom Spaziergang möchte ich dann duschen, erstmal frühstücken, vielleicht etwas Yoga machen. Zuhause kommen natürlich noch die üblichen sonstigen Verpflichtungen dazu.

Wenn ich dann am Tisch sitze zu einer Uhrzeit, die ich mir selbst vornehme, sind viele der Einfälle schon wieder im Nebel verschwunden.

Ich hatte auch schon mal den Versuch gemacht, die Gedanken während des Spaziergangs in mein Handy zu sprechen. Das klappte allerdings auch nicht so gut.

Es blieb genauso schwierig…diese Übertragung aus dem Kopf auf das Papier oder in das Mikrofon.


Als wenn eine dicke Mauer irgendwo installiert wäre, die ein Durchlassen der einzelnen Wörter einfach unmöglich machte.


Manchmal gibt es jedoch Tage, da finden die Wörter ein kleines Loch. Sie quetschen sich alle dadurch, um auf dem Papier zu landen. In den Fällen entsteht wie von Zauberhand ein wunderbarer Text, der mir Freude macht und den ich gerne zum Lesen teile, weil ich das Gefühl habe, es könne auch anderen Freude machen.

Gleichzeitig ist es auch ein befreiendes Gefühl, weil diese Wörter nun auf dem Papier gelandet sind und nicht mehr in meinem Kopf umher spuken.


So erlebe ich Freude und Freiheit durch das Schreiben….und dennoch.


Statt mir das jeden Tag zu gönnen, erfinde ich Ausreden und mache tausend andere Dinge.

Heute morgen habe ich mich während meines Spaziergangs zum wiederholten Male gefragt, warum das so ist.

Als Antwort erhielt ich heute dieses Bild der dicken Mauer, hinter der die Wörter gefangen sind.


Eine Mauer, die ich im Laufe der Jahre aufgebaut habe.

Zum Schutz…


Wie häufig habe ich erlebt, dass gesprochene Worte oder geschriebene Wörter nicht die gewünschte Reaktion ausgelöst haben.

In meinem Unterbewusstsein sind Schmerz, Traurigkeit, Ablehnung, Angst, sich klein und dumm fühlen, mal alles wieder nicht richtig gemacht,

„Du bist ja so blöd…“

„Mal wieder nicht aufgepasst…?“

Was soll aus dir mal werden?

Kannst du nicht mal stillsitzen…?

Mädchen können das nicht…

Mädchen dürfen das nicht…

Lass mich lieber mal…

Kannst du auch mal was Schlaues sagen…?

Wir haben jetzt genug diskutiert…wir machen es so, wie ich sage…

Sei still…!!!

….alles Wörter, die sich gerade ihren Weg in die Freiheit gebahnt haben.


Was ist in dir alles gut versteckt? Und möchte befreit werden?


Ich denke, es ist an der Zeit an die Mauer heranzutreten…mutig und mit den Tools, die uns zur Verfügung stehen, um sie einzureißen, damit die Wörter befreit werden.


Die Wörter, die nach außen wollen, die befreit werden möchten.


Damit Freude und Leichtigkeit entstehen können und grenzenlose Freiheit wahrnehmbar wird.


Es gibt aber noch einen anderen Grund, der es so schwer macht, das aufzuschreiben, was da gerne geschrieben werden möchte.


Und das ist die Angst vor dem Preisgeben der Wahrheit, meiner Wahrheit.

Das ungeschützte Preisgeben meiner innersten Gefühle….


Ich habe es nicht gelernt, diese Gefühle offenzulegen.

Ich habe ja gerade in den letzten Jahren erst gelernt, Gefühle zu fühlen.

Und ich glaube, es geht vielen in unserer Generation so.

Unsere Eltern hatten es auch nicht gelernt und so fiel es ihnen natürlich nicht leicht, es an uns weiterzugeben. Wahrscheinlich befinden wir uns nun in einem Lernprozess, Gefühle, sei es positive als auch negative Gefühle, wahrzunehmen und sie zu fühlen.


Und zwar mit Haut und Haaren, mit allen Konsequenzen.

Ja…das macht nicht immer Spaß…


Aber wir können dem nicht ausweichen....

Wenn wir Ausweichmanöver machen, wird uns das Leben immer wieder Situationen schicken, um bestimmte Gefühle zu fühlen.

Das ist also Pflichtprogramm für jeden…


Und dann kommt die Kür…die Gefühle offenlegen, preisgeben, sich verwundbar zeigen, das Herz öffnen.


Wenn ich nun aufschreibe, was so in meinem Innern passiert, dann könnte es sein, dass es jemand liest.

Und derjenige weiß dann alles über mich…

Eigentlich ist das ja nicht so schlimm oder? Aber ich habe in meinem Mindset noch abgespeichert nicht alles preiszugeben…

…und damit schließt sich der Kreis und wir kommen wieder zum Anfang…


Nicht alles preisgeben, weil ich Angst habe…


Angst vor Ablehnung, Angst nicht geliebt zu werden.

Ich glaube, das ist die Angst in vielen…

Wollen wir nicht alle geliebt werden? Vielleicht ist Liebe genau das, was wir hier auf dem Planeten Erde lernen wollen?


Wenn ich aber eine dicke Mauer aufbaue oder aufgebaut habe, zum Schutz, sozusagen mein Herz verschlossen, dann kann Liebe weder rein noch raus.


Wie es sich auch dreht und wendet….

…die Angst muss weg…die Mauer muss weg.

Das heißt aber nicht, die Angst in den Keller packen, verstecken, sondern hervorholen und ansehen. Ihr gegenübertreten, mutig wie eine Kriegerin, eine Kriegerin des Herzens.

Und das immer und immer wieder….


Nur so können wir die Angst in Mut verwandeln, in Stärke.


Denn Mut und Stärke brauchen wir dann, um die Mauer abzubauen.

Stein für Stein….

Jeden Stein schauen wir an, bedanken uns, dass er uns so lange beschützt hat und legen ihn zur Seite.

Auf diese Weise gehen wir behutsam und achtsam vor und räumen so richtig auf. Irreversibel.

Es braucht seine Zeit. Für den einen etwas länger, für den anderen etwas kürzer.

Jede(r) in seinem eigenen Tempo.

Im Vertrauen, dass wir begleitet sind und genau zur richtigen Zeit der richtige Stein genommen und angeschaut werden kann.


Ich habe mich hier in Italien meinem Gefühl der Angst gestellt und stelle mich ihr immer noch. Jeden Abend….

Es macht keinen Spaß…zumindest nicht in der Nacht.


Aber jeden Morgen, wenn ich aufwache, fühle ich mich immer etwas stärker, was dann meinen Mut größer werden lässt, um mich abends wieder der Herausforderung zu stellen.


Zum Ausgleich werde ich jedoch über Tag mit allen Schönheiten und Freuden, die dieser Ort zu bieten hat, verwöhnt. Darüber bin ich unendlich dankbar. Hilft es mir doch sehr dabei nicht aufzugeben und abzureisen.

Diesen Impuls hatte ich nämlich nach dem ersten Tag bzw. der ersten Nacht.


So hat mir das Leben auf eine interessante Art und Weise eine Challenge geschenkt, die mich wieder einen Schritt weitergehen lässt auf meinem Weg und

ich bin glücklich und stolz, dass ich sie angenommen habe.





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